Heute vor einem Jahr, am 27 ten September 2010 war Ruprechts letzter Tag (in diesem Leben).
Da ich das Glueck hatte an diesem Tag bei ihm zu sein, hier eine kurze Schilderung:
Ruprecht hatte meine Mutter und mich fuer den 27 September abends zum Essen eingeladen und wollte selber kochen.
Wir kamen aus Stuttgart und sind nachmittags erstmal ins Hotel gegangen, um unser Gepaeck abzuladen.
Ruprecht hatte vormittags gearbeitet. Es war fuer ihn ein etwas laengerer Tag, da es nach der Arbeit auch noch eine kurze Besprechung gab. Danach ist er einkaufen gegangen und hat unseren Besuch vorbereitet.
Ruprecht war sehr ungeduldig uns zu sehen und rief mehrmals an, ob wir nicht schneller kommen koennten. Wir waren aber von der langen Reise sehr muede und brauchten etwas Zeit. Zwischen fuenf und sechs Uhr waren wir dann endlich in seiner Wohnung. Seine Wohnung war wunderbar aufgeraeumt. Er hatte den Tisch festlich gedeckt und schon das Essen vorbereitet. An der Wand hingen seine Komiks, die ich davor noch nie gesehen hatte und die mich tief beeindruckten. Ausserdem hatte er an die Wand die Fotos gehaengt, die wir bei unserem letzten Skype Gespraech voneinander gemacht haben.
Ruprecht sah an dem Abend wieder sehr jung aus. Er hatte sich einen Pferdeschwanz gemacht und den Bart fast ganz abgenommen. So mochte ich ihn schon immer am liebsten anschauen. Er hatte sehr guten Wein besorgt und ein griechisches Essen mit Schafskaese und Lauchgemuese gekocht. Waehrend des Essens sprachen wir auch ueber das geplante Familienfest und ich bat ihn dringend, bitte hinzugehen, doch er antwortete, dass er nicht zusagen koenne, denn bei ihm koenne man nicht vorhersehen, was komme. Dann erzaehlte er uns, dass am naechsten Tag ein Abendessen bei Maria geplant sei, wo ich bitte Gitarre spielen solle. Daraufhin habe ich ihn gebeten, mir am naechsten Vormittag (28.Sept) frei zu geben, da ich dringend wenigstens mal wieder zwei Stunden allein sein und ueben wolle.
Doch Ruprecht wollte mir diese Zeit aus irgendwelchen Gruenden nicht geben und versuchte hartnaeckig mich von meinem Uebe – Beduerfniss abzubringen. Er wollte unbedingt schon ganz frueh am naechsten Morgen mit uns in irgendein Hochhaus mit schoenem Ausblick zum Kaffee trinken gehen und dann eventuell ins Atelier fahren.
Meine Mutter hatte die ganze Zeit Sorge, dass unser Besuch fuer Ruprecht zu anstrengend sein koennte. Deswegen haben wir uns an dem Abend schon relativ frueh verabschiedet. Er begleitete uns noch zur Bushaltestelle und ich hatte das Gefuehl, dass er irgendwie traurig war, weil wir nur so wenig gegessen hatten und weil ich unbedingt am naechsten Tag erst mal zwei Stunden Gitarre ueben wollte. Es war eine eigenartige Stimmung, die mir weh tat, auch wenn ich nicht sagen kann, warum.
Ich fuehlte mich dann so melancholisch und habe mich so sehr nach der Stimme meines Bruders gesehnt, dass ich ihn schliesslich vom Hotel aus nochmal anrief. Da war es so etwa neun Uhr abends. Bei diesem Telefon wirkte Ruprecht sehr ausgeglichen und erzaehlte mir, dass er schon alles aufgeraeumt und vorbereitet habe und noch was gegessen habe. Er werde auf jeden Fall uns am naechsten Morgen bis spaetestens neun Uhr im Hotel abholen.
Neun Uhr morgens? Damit machte er mir regelrecht Stress, denn ich brauche morgens immer sehr lange, bis ich in die Gaenge komme. Doch ich hatte keine Chance zu widersprechen. Er bestand auf dieser Zeit. Das war eigentlich sehr eigenartig fuer ihn.
Wir – also meine Mutter und ich – hatten eine unruhige Nacht. Wir waren beide angespannt und meine Mutter ist einmal nachts aufgestanden, weil sie sich so stickig gefuehlt hat. Sie hat da alle Fenster aufgerissen. Vielleicht war das genau der Zeitpunkt an dem Ruprecht gerade starb? Wer weiss.
Als Ruprecht am naechsten Morgen dann doch nicht um neun Uhr da war, haben wir uns erst nichts schlimmes dabei gedacht. Meine Mutter meinte, vielleicht muss Ruprecht ja mal noch etwas alleine sein und ist erstmal alleine spazieren gegangen. Schliesslich ist so ein Familien Besuch ein anstrengendes Unternehmen. Doch dann habe ich versucht ihn anzurufen und auch sein Handy. Als er nie abnahm, habe ich mir ploetzlich sehr grosse Sorgen gemacht und gemerkt, dass etwas schlimmes passiert sein muss. Zuerst habe ich mein Gefuehl versucht zu unterdruecken und zu ignorieren, doch irgendwann ging das dann nicht mehr.